Mit dem Bosch Performance Line SX steigt jetzt auch der schwäbische Marktführer in den Markt der Light-E-MTB-Mittelmotoren ein.
Das Rezept des Light-Trends: Weniger Motorgewicht, kleinere Akkus, leichtere E-Bikes – zum Beispiel für das Segment der Light-E-MTB. Nach diesem Prinzip bietet nun auch Bosch einen neuen Antrieb. Hier hatten zuletzt 2022 der TQ HPR50 und Fazua Ride 60 oder der Shimano EP8RS für neue Rahmen- und Designoptionen für die E-Bike-Hersteller gesorgt.
Die Eckdaten: Der Bosch Performance Line SX ist mit 2 kg etwas schwerer als die TQ HPR50 und Fazua Ride 60 Motoren, der Akku liegt bei 400 Wh Kapazität. Der Motor baut schmaler als der Bosch Performance Line CX und ermöglicht geringere Q-Faktoren. An Drehmoment bringt der Motor 55 Newtonmeter.
Bosch stellt den Motor in einer Pressemitteilung so vor:
Neuer kompakter Antrieb Performance Line SX für eGravel Bikes, eUrban Bikes und Light-eMTBs
Maximaler Leistungsoutput: 600 Watt
55 Nm Drehmoment klingt im Vergleich mit den Wettbewerbern eher nach Mittelmaß. Das Besondere am Bosch Performance Line SX scheint aber die maximale Leistung zu sein, die der Antrieb bei höheren Trittfrequenzen bringt: Wenn ihr mit 110 U/Min in die Pedale tretet, beträgt der maximale Leistungsoutput 600 Watt!
Je mehr du gibst, desto mehr bekommst du zurück. (Bosch Marketingtext)
Ein Leistungsoutput von 600 Watt ist weit jenseits der Leistung der TQ und Fazua Light Motoren. TQ bringt 300 Watt Maximaloutput, Fazua 450 Watt für 12 Sekunden im Boost.
Welche Motorabstimmung und welche Philosophie bei Bosch dahintersteckt, haben wir im Artikel Bosch SX: Leicht und trotzdem stark – wie passt das zusammen? separat und detaillierter als hier untersucht.
Dieser Boost ist einerseits trittfrequenzabhängig, andererseits verlangt er auch Kraft von Dir auf den Pedalen. Unter diesen Bedingungen sind von 600 Watt Output rekordverdächtig.
Um die Leistung des SX Aggregats einzuordnen:
- Bei einer Trittfrequenz von 110 rpm und eigenem Input von 250 Watt bringst Du mit dem Bosch Performance Line SX einen Gesamtoutput von 729 Watt auf die Straße.
Dieser Wert liegt – wie gesagt für kurze Zeit – über der Maximalleistung eines Brose Drive S Mag (712 Watt) und nur wenig unter der eines Bosch Performance Line CX (745 Watt). Obwohl der Motor nur 55 Nm Drehmoment aufweist und wesentlich leichter und kleiner ist als diese beiden großen Mittelmotoren.
- Noch getoppt (!) wird dieser Wert bei einer Trittfrequenz von 130 rpm mit einer maximalen Systemleistung von 756 Watt lt. Prüfstandtest. Das liegt dann über allen anderen Mittelmotoren sogar der 85-90 Nm-Liga (Systemleistung: Fahrerleistung + Antriebsleistung).
Obige Werte hat das Magazin Velomotion in einem Prüfstandtest gemessen, das Youtube-Video dazu findet ihr hier. Das Bosch-Video zu diesem neuen Motor hier.
Dieser Boost beim Bosch Performance Line SX ist ähnlich wie bei Fazua natürlich nicht dauerhaft verfügbar. Ihr könnt ihn für eine steile Rampe, einen steilen technischen Climb nutzen. Im Video von Velomotion ist von 5, 6, 7 Sekunden die Rede.
Der Kurzzeit-Boost funktioniert auch bei geringerem eigenen Input, z.B. lockeren 100 Watt – dann ergibt sich aber nicht der Maximalwert, sondern eine Systemleistung von etwa 430 bis 440 Watt, so Velomotion.
Velomotion hat den Motor in einem M1.EN.400.SX nicht nur auf dem Prüfstand getestet, sondern auch einige Fahreindrücke in der Praxis gesammelt und sich recht begeistert gezeigt.
Einsatzgebiete
Bosch sieht den Performance Line SX nicht nur im E-MTB-Einsatz, sondern auch im Bereich E-Gravel und auch bei City-E-Bikes und Touren E-Bikes. Wie sich der Motor mit seinen möglichen Leistungsspitzen auf die Reichweite eines E-Bikes auswirkt, wird sich zeigen.
Eines der ersten E-Bikes mit dem Bosch Performance Line SX wurde das neue E-Enduro von M1 Sporttechnik vorgestellt, das M1 EN.400.SX.
Genauso gibt es von M1 ein Allmountain-E-Bike mit dem Performance Line SX, das M1 AM.400.SX
Von der Reichweite her liegt der Motor im Mittelfeld der Mittelmotoren, d.h. die Effizienz ist gut. Es soll zu den 400 Wh Akkus auch einen Reichweiten-Extender mit 250 Wh geben. Damit liege die Reichweite, so die Einschätzung von Velomotion und auch von Manuel Küspers im vit:bikes-Video, im Bereich einer E-MTB-Tagestour.
Zum neuen Motor kommt eine neue Displayoption: das Purion 200, Lenker-Bedieneinheit mit schlank integriertem Farbdisplay. Sieht m.E. wesentlich besser als als die Standrad-Lenkereinheit. Nutzbar mit dem Antrieb ist natürlich auch die Bosch E-Bike-Flow-App via Smartphone, oder das Kiosk und Nyon Display.
Bosch Performance Line SX vs. Performance Line CX
In einem Video von vit:bikes erklärt Manuel Küspers von M1 Sporttechnik den Unterschied zwischen einem Performance Line SX und einem Performance Line CX so (sinngemäß zitiert nach dem Video):
Der Performance Line CX unterstützt dich wie ein Dieselmotor von unten heraus und zieht gleichmäßig kräftig nach oben – der SX ist eher der hochgezüchtete Benziner, der seine Topleistung erst im oberen Drehzahlbereich bringt – in Analogie zur nötigen hohen Kadenz bzw. Trittfrequenz fr die maximalen 600 Watt Unterstützung.
Praxiseindrücke
Was der Motor nach den Fahreindrücken vom Tester Michael Faiß von Velomotion nicht so gut kann, ist – ganz entsprechend dem Benziner in der oben zitierten Analogie – untertourig fahren. Der Motor schiebt erst bei höherer Trittfrequenz richtig – er ist ein Sportmotor. Und dann ist er wohl auch nicht so leise oder „stealthy“ wie die Light-Antriebe von TQ und Fazua. Aber das erwartet man von einem Ferrari oder Porsche ja auch nicht 🙂
Mein eigener Fahreindruck mit dem M1 CC.400.SX
Den kann ich inzwischen nach einer ausgiebigen Testrunde im Mangfalltal mit dem E-MTB Trail-Modell M1 CC.400.SX mit Bosch Performance Line SX Motor abgeben: Ja, der Motor verlangt Einsatz, vor allem wenn es besonders steil wird und der Untergrund eher lose ist wie Waldboden, Schotter, steinig oder feucht.
Aber ihr kommt dann auch da hoch, wo ihr sonst mit den Light-Motoren von TQ und Fazua evtl. nicht hochkommt. Da, wo Ihr Euch bisher den „großen“ Performance Line CX oder einen EP8, PW-X3 usw. wünschen würdet. Es geht, ihr müsst dem Motor nur mit der Trittfrequenz signalisieren, dass ihr die Kraft braucht. Die er euch dann zumindest für 8-10 Sekunden auch abgibt. Für sportliche, auch technisch anspruchsvolle Trailrunden ist dieses Modell super geeignet. Erst recht mit dem optionalen 250 Wh Extender – dann für einen ganzen Tag draußen.
Wir hatten nach ca. 40 Kilometern und etwa 300 rutschigen Höhenmetern (ohne Extender) noch einen Akkustand von 61% (ich) und 51% (mein Begleiter, 25 kg schwerer als ich, M1 GT.400.SX).
Eine große Rolle beim Fahrspaß spielt dabei auch der M1-Fully-Carbonrahmen. Der Rahmen ist eine minimal kompaktere, aber in der Geometrie sehr vergleichbare Rahmenform, wie sie mich im M1 Spitzing begeistert hatte. Einen Bericht zu den verschiedenen M1-Modellen mit dem Bosch SX folgt in Kürze noch nach.
Ich bin gespannt, wie sich dieser Markt weiterentwickeln wird. Das langjährige E-Bike-Trend „schneller – weiter – schwerer“ ist spätestens mit dem Einstieg von Bosch in diesen Markt definitiv gebrochen. Ich frage mich nur, warum Bosch damit erst so spät um die Ecke kommt …
Quellen und Links
Keine bezahlte Werbung – keine Affilatelinks:
- Beitragsbild: Screenshot vom vit:bikes Interview mit M1
- Bosch Performance Line SX Motorvorstellung
- Videos von Bosch eBike Systems, Velomotion, vit:bikes (alle im Text verlinkt)
- M1 Produktseiten: M1 En.400.SX – M1 AM.400.SX – M1 CC.400.SX – M1 GT.400.SX