Kürzlich hat mich ein befreundetes Paar, Manu und Armin, nach Tipps für den E-Bike-Kauf gefragt (und zwar XXL E-Bikes – aber diese Kategorie war uns vorher nicht wirklich bekannt). Die ersten E-Bikes für beide, Trekkingbikes sollten es werden. Freunde des Paares hatten sich zwei „Ortler Bozen“ gekauft, zu je ca. 1.900 €. An diesem Preis wollten sie sich zunächst orientieren. Armin ist allerdings groß und schwer…
Meinem Freund (als Sport Enduro Fahrer mit Husqvarna FE 350/701) gefielen auf den ersten Blick die sportlichen Designs und Modelle von Husqvarna, Haibike, KTM, Cube. Die fielen aber bei genauerer Überlegung heraus, genauso wie das günstigere Ortler. Am Ende haben sich beide E-Trekking-Bikes zum Preis von je knapp 4.000.- € bestellt.
Der Bestellwert hatte sich gegenüber dem Ausgangspunkt also verdoppelt. Was waren die auschlaggebenden Argumente und Gründe für die „Preissteigerung“? Und für welche Pedelecs haben sie sich entschieden?
Keine große Auswahl bei großen Fahrer*Innen und hohem Gewicht
Zunächst muss gesagt werden, dass die in Frage kommende Auswahl für beide nicht wirklich groß war. Den beiden war als E-Bike-Neulingen zunächst nicht bewusst, dass die meisten E-Bikes nur insgesamt 120 – 130 kg Gewicht vertragen – sprich Gewicht des E-Bikes inkl. Akku + Gewicht von Fahrer/in inkl. Kleidung + Gewicht von Gepäck. Rechnen wir mal nach: Z.B. 100 kg Fahrergewicht + 25 kg E-Bike-Gewicht + 20 kg Zuladung: Das macht ein Minimum von 145 kg. Sie würden für sich ein so genanntes XXL-E-Bike benötigen. Wir haben als Untergrenze 150 kg gesetzt. Beide wollten ein E-Bike vom gleichen Hersteller, damit sie Teile und Akku auch mal tauschen können.
Haibike, Husqarna, Cube, KTM schieden durch dass Kriterium „zulässiges Gesamtgewicht“ für beide aus. Die Pedelecs dieser Marken sind für Belastungen bis 120 oder 130 kg gebaut.
Auch das urspünglich ins Auge gefasste österreichische Trekkingrad „Ortler Bozen„: Nur bis 120 kg Gesamtgewicht. Dazu nur 9-Gang, nur Bosch Active: Für die beiden im bayerischen Voralpenland bei Armins Gardemaß und Gewicht – so meine Empfehlung – einfach nicht geeignet. Auch wenn „nur kleinere Touren“ geplant waren: Um das Ortler Bozen dort mit Spaß zu bewegen, muss ich fit sein und darf nicht mehr als Normalmaße haben.
Muss die Gewichtszulassung beachtet werden?
Muss man die Gewichtsvorgabe eigentlich so eng sehen? Mein Rat war: ja. Stell Dir vor Du bist mit Deinem E-Bike unterwegs, fährst nach langer Steigung endlich einmal zügig einige Kurven abwärts, durchaus mit auch mal 55 km/h – yeah! – möchtest Du dann im Hinterkopf haben: Hm, vielleicht ist der Rahmen, der Lenker, der Sattel doch zu instabil für mein Gardemaß und Gewicht? Vielleicht die Bremsen doch etwas zu knapp ausgelegt für meine Kilos? Ich denke nicht.
Die Belastungen, die ein E-Bike aushalten muss, sind enorm: Die Fahrradgewichte sind in der Regel schon mal 10 Kilo höher als bei nicht Elektro-Rädern. Die Geschwindigkeiten liegen meistens über denen, die Du mit dem Bio-Bike radeln würdest. Im Flachen, an der Steigung, und auch im Gefälle. Ein E-Bike schiebt ganz gewaltig! Die Bewegungsenergie von Bike und Fahrer (also die Masse, die zu bremsen ist) nimmt mit der Geschwindigkeit quadratisch zu! E = 0,5m * v*v. Und gibt es Schäden, kannst Du nicht mal eine Garantie einfordern.
Unter anderm sind bei XXL-E-Bikes Vorbau, Lenker, Sattel und Pedale deutlich stabiler.
Antriebs-Empfehlungen für XXL und Oberbayern & Co.
Bei der Schaltung habe ich zu einer Kettenschaltung geraten, mindestens 10-fach. Auch hier schiebt zwar der Motor mit, aber es ist wichtig, die Trittfrequenz anpassen zu können, sonst trittst Du in der Regel zu langsam und das Treten schmerzt, die Gelenke knirschen.
Ich habe es bei einer anderen Gelegenheit erlebt: Eine durchschnittlich fitte Person versuchte mit 8-Gang-Alfine Nabenschaltung und Bosch Performance (Hercules Tiefeinsteiger) einen etwas steileren holprigen Anfahrtweg zu einer Burg hochzukommen, sagen wir 15% Steigung: Ging nicht. Das lag in dem Fall an der Fahrtechnik, sie hatte schlicht zu langsam getreten und der Untergrund war für die Trekking-Reifen auch eine Idee zu rutschig. Aber das ist eben ein Grenzbereich mit solchen Schaltungen.
Die Schalt-Empfehlung würde für auf Stadt und flacheres Umland begrenztes Terrain natürlich anders lauten: Hier sind natürlich Nabenschaltungen, Carbonriemen u.a. in die Überlegungen einzubeziehen. Oder wenn man investieren möchte: Die Rohloff E14 Nabenschaltung auch für eine bergigere Umgebung.
Nicht viele XXL E-Bike Hersteller
Welche Hersteller kommen also in Frage? Eine weitere Online-Recherche nach XXL-E-Bikes – so genannt für Fahrer*Innen ab ~190cm oder ~100kg Gewicht – ergab:
Z.B. Cannondale – die Modelle „Mavaro“ (City) oder „Moterra“ und „Cujo“ (MTB-Fullies) waren weder lieferbar noch gefielen sie besonders. Bei dem holländischen Hersteller Gazelle (zul. Gesamtgewicht bis 135 kg) waren z.B. beim „Ultimate C8“ wieder nur Nabenschaltung und Bosch Active Line zu haben. Nichts für Irschenberg und Kampenwand! Das „Gazelle Ultimate T10 HMB“ hätte immerhin Kette mit 10-Gang, aber nur eine 50mm-Federung im Steuersatzrohr vorn.
In Frage kam auch noch ein Pedelec von Simplon aus Österreich: das ziemlich coole Chenoa Bosch CX, zul. Gesamtgewicht bei 160 kg, relativ geringes Eigengewicht von 19,74 kg! Sogar mit 625Wh Akku und 11-Gang Shimano-Kettenschaltung. Dieses Trekking-E-Bike kam schon mal in die engere Auswahl, auch wenn der aufgerufene Preis über 5.000 € liegt.
Davor hatten meine Freunde aber meinen Tipp GIANT schon ins Auge gefasst. Ich war selbst im Vulkansand auf La Palma ein Giant TRANCE E+ 2 PRO (E-Fully) gefahren.
Die E-Bikes des wohl größten Fahrradherstellers der Welt sind bis 160 kg Gesamtgewicht zugelassen. Sie haben zwar keinen Bosch-Motor – dafür aber etwas noch stärkeres: Den Giant SyncDrive Pro – das ist ein speziell modifizierter Yamaha-PW-X. Die Unterstützung beträgt hier bis zu 360% mit 80Nm Drehmoment, gegenüber bis zu 340% beim Bosch Performance CX Gen. 4 mit 75 Nm.
Ich persönlich mag die Yamaha-Motoren gern, wie an meinem SDURO HardSeven. Es gibt nur einen Nachteil gegenüber Bosch: Das Supportnetz im Ausland ist dünner als beim Marktführer Bosch. Ich hatte das z.B. auf Teneriffa bzw. den Kanaren mitbekommen.
GIANT 2020: Viele Gänge, noch mehr Akkupower
Noch ein Vorteil bei E-Bikes mit Yamaha-Motoren: Es sind meist doppelt soviele Gänge möglich, denn ans vordere Kettenrad kommen zwei (!) Zahnkränze. Bei den o.g. ausgewählten Explore Pro Modellen ist das die Shimano XT 2 x 11 – mit 22 Gängen!
Eine weitere Besonderheit bei GIANT ab dem Modelljahr 2020: Für noch mehr Reichweite und Kraftreserve bietet Giant mit dem EnergyPak Plus einen externen Zusatzakku (siehe E-Bike Akkus – Aktuelle Trends) an, der auf dem Unterrohr befestigt wird und weitere 250Wh Power mitbringt. Der große EnergyPak Smart 625 und der EnergyPak Plus kommen zusammen auf beeindruckende 875Wh im „Tank“.
Weitere XXL Pedelec Alternativen
Neben dem oben erwähnten Simplon Chenoa CX kann das Riese und Müller SuperCharger2 (mit 2 Akkus im Rahmen, insgesamt 1000 Wh) als weitere Alternative gesehen werden (auch das Charger3 GT mit einem Akku, allerdings ohne Kettenschaltung). Bei Riese und Müller können verschiedene Modelle mit einer „HeavyDuty Option“ auch mit zu 160 kg Tragfähigkeit bestellt werden. Dabei sind u.a. Vorbau, Lenker, Sattel und Pedale deutlich stabiler. Der Preis für diese Supercharger2 XXL-E-Bikes liegt hier über 5.500 €. Noch komfortabler geht es auch: Das vollgefederte SuperDelite von R&M kostet ab 7.000 €.
Weitere Trekking / SUV / XXL E-Bikes ab 140 kg zulässiges Gesamtgewicht
Aus dem aktuellen Heft der @elektrobike 2020 noch ein paar E-Trekking-Modelle (inkl. ein paar S-Pedelecs für Weit-Pendler) mit Kettenschaltung (oder mindestens 10-Gang Nabe) für hügeligeres, selten steiles Gelände, die zumindest 140 kg zul. Gesamtgewicht haben – damit wird die Auswahl etwas breiter.
Vielleicht kommen diese Modelle ja auch fürs Trekking oder Pendeln in Frage. Die Verfügbarkeit und Lieferfristen habe ich nicht geprüft. Angegeben sind das Radgewicht, zul. Gesamtgewicht, Schaltung und Preis:
- BH Xtep Cross Pro – 25,6 kg / 165 kg / 10-Gang XT / 4.299 €
- Cannondale Canvas Neo 1 – 21,1 kg / 150 kg / 10-Gang Deore / 3.799 €
- Canyon Pathlite On 8.0 – 26,5 kg / 140 kg / 11-Gang XT / 4.299 €
- Centurion E-Fire City R2600i – 26,6 kg / 150 kg / 11-Gang XT / 3.799 €
- Centurion Lhasa E R2600i – 25,2 kg / 150 kg / 12-Gang XT / 4.799 €
- Coboc TEN Merano – 16 kg / 140 kg / 11-Gang SRAM GX / 4.599 € (Fahrbericht)
- Cube Kathmandu Hybrid SL 625 – 26,4 kg / 140 kg / 12-Gang XT / 3.499 €
- Flyer Goroc4 6.50 (Fully) – 26,5 / 145 kg / 12-Gang SRAM SX / 5.299 € (Artikel)
- Kalkhoff Endeavour 5.S XXL – 24,5 kg / 170 kg / 10-Gang XT / 3.499 €
- Kettler Duo CX12 SUV FS (Fully) – 32 kg / 145 kg / 12-Gang Deore / 6.799 €
- Kettler Quadriga Duo CX Speed (S-Pedelec) – 32 kg / 145 kg / 12-Gang Deore / 6.799 €
- KTM Macina Sport 610 – 23,5 kg / 142 kg / 12-Gang Deore / 3.899 €
- Liv Thrive E+ EX Pro (Damen) – 22,2 kg / 156 kg / 10-Gang Shimano / 3.399 €
- Merida eBig.Tour 500 EQ – 23,26 kg / 140 kg / 12-Gang XT / 3.699 €
- Merida eSpresso 900 EQ – 24,64 kg / 140 kg / 11-Gang XT / 4.099 €
- Möve Franklin E-Fly Komfort – 22,8 kg / 160 kg / 11-Gang XT / 3.995 €
- Qwic Performance RD11 – 29,1 kg / 144 kg / 11-Gang SLX / 3.299 €
- Qwic Perf. MA11 Speed (S-Pedelec) – 28,8 kg / 160 kg / 11-Gang Alfine (Nabe) / 4.799 €
- Rose Xtra Watt Evo X – 20,9 kg / 140 kg / 11-Gang XT / 3.399 €
- Rotwild R.T750 Tour – 23,4 kg / 149 kg / 12-Gang XT / 5.999 €
- Scott Axis eRide 10 Men – 25,4 kg / 140 kg / 12-Gang SRAM NX1 / 4.199 €
- Specialized Turbo Vado 5.0 – 23,8 kg / 160 kg / 11-Gang XT / 3.999 €
- Stromer ST1 (S-Pedelec) – 31,1 kg / 150 kg / 9-Gang Microshift / 5.390 €
- Stromer ST3 (S-Pedelec) – 29,7 kg / 150 kg / 11-Gang XT / 6.990 €
- Stevens E-Triton 45 (S-Pedelec) – 26,6 kg / 140 kg / 12-Gang XT / 4.799 €
- Victoria eAdventure 8.9 – 24,7 kg / 140 kg / 11-Gang XT / 3.490 €
- Victoria eManufaktur 12.9 – 25,9 kg / 140 kg / 11-Gang XT / 3.699 €
- Victoria eTrekking 10.8 – 24,9 kg / 140 kg / 10-Gang Deore / 2.990 €
@elektrobike verwendet auch die Kategorie SUV E-Bike für einige dieser E-Bikes, die Abgrenzung zu Trekking-Kategorie wurde mir nicht ganz klar (evt. die meistens etwas breiteren Reifen, ab 2,2 Zoll Breite). Auch die Einordnung als „Commuter E-Bike“ überlappt sich mit der Trekking-Kategorie bei @elektrobike.
And the winner is …
So fiel die Entscheidung von Manu und Armin auf die E-Trekking XXL-Pedelecs GIANT EXPLORE E+ 1 PRO STA 625 WH und das EXPLORE E+ 0 PRO GTS 625 WH, die innerhalb von 3 Wochen geliefert werden sollen.
Diese Giant XXL-E-Bikes passen individuell sehr gut zu dem Paar, zu den Touren in Oberbayern (und damit überall) und gefielen auch optisch sehr gut. Sie wirken sportlich, Ihre innere Stärke wird nicht mit Klobigkeit erkauft, und die Reichweite dürfte im Rahmen des derzeit Möglichen optimal sein.
Und der Preis? Er liegt bei 3.690 €/ 3.999 €. Ich denke, die Räder sind zu diesem Preis fast noch günstig zu nennen!
Ich wünsche Euch, Manu und Armin, riesigen Spaß mit den Giganten und freue mich, diese demnächst einmal selbst probefahren zu können 🙂
Quellen:
https://www.fahrrad-xxl.de/blog/fahrraeder-fuer-uebergewicht/ *
https://www.giant-bicycles.com/de/explore-eplus-0-pro-gts-625-wh
https://www.giant-bicycles.com/de/explore-eplus-1-pro-sta-625-wh
https://www.r-m.de/de/modelle/supercharger2/
*Affiliate Link
Schlagwörter: Giant, Riese und Müller, Simplon, XXL-Ebikes
14. April 2023
Gott sei Dank gibt es noch Modelle;)
Martin
13. Juli 2020
Sehr hilfreicher Artikel – für Fahrer mit >100kg Gewicht, die gerne mit Zweitakku, Ladegerät und viel Gepäck durch Deutschland und Europa radeln. Aber: Von Centurion ist (ohne Motor) schon mein zweites Fully dabei, seinen Rahmen zu zerlegen und beim GIANT Dirt E+0 habe ich auch schon zweimal einen Rahmenbruch erlebt (nach 8.000 km und 10.000 km Gesamtstrecke). Ich hatte die Bikes leider beim Händler gekauft und die schauen oft nicht, ob die Rahmengröße objektiv stimmt oder der hohe Sattel zu viel Hebelkräfte auf den Rahmen schickt. Mal sehen, ob die GIANT-Rahmengarantie wirklich hält, was sie verspricht.
28. Juni 2020
Danke Günter, super Tipps ohne Deine Hilfe hätten wir die falschen Bikes gekauft. Nun müssen wir nur noch hoffen, dass die Teile auch kommen…