Zeitreise per E-Bike: Zum Ground Zero Mitteleuropas

E-Bike-Tour und Zeitreise – Kul ↯ Tour per E-Bike: Zum UNESCO Welterbe Kloster Lorsch und ins Jahr 800 nach Christus. Es ist eine Art Ground Zero Mitteleuropas und speziell Deutschlands – warum erfahrt ihr im Text.

Das Römische Reich war zerfallen, mitten in Europa bestand ein Macht- und Kulturvakuum. Das europäische Weltwissen – u.a. in Form der Bibel – und die Sprachen waren zerfleddert und nur Fragmente und lateinische Dialekte waren verstreut erhalten.

Nicht einmal die Priester konnten noch Latein

Nicht einmal die Priester konnten noch richtig Latein – und eine deutsche Bibel gab es noch Jahrhunderte nicht. Das Kloster und die Abtei in Lorsch (heute Südhessen, Kreis Bergstraße) hatten die Aufgabe, die verstreuten Bibel-Fragmente und Evangelien zu sammeln und wieder zu einer einheitlichen Bibel zusammenzustellen. Diese Bibel wurde am 25. Dezember 800 Karl dem Großen zur Kaiserkrönung in Rom überreicht.

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Kloster Lorsch
Kloster Lorsch - Reste der Abtei

Ebikespass

Die Arbeit der Klöster und Abteien um das Jahr 800 und danach bezeichnen einige Historiker als die erste europäische Renaissance – 600 Jahre vor der eigentlichen Renaissance vom 15. bis ins 16. Jahrhundert.

Kul ↯ Tour per E-Bike – die etwas andere Art, Kultur zu erfahren 🙂

DSGVO-konforme Einbindung – Zum Ansehen des Videos bitte aufs Bild klicken:

Im Folgenden das leicht korrigierte und erweiterte Transkript aus dem Video, das ich in Lorsch aufgenommen habe:

Erzählung aus dem Video

Ich weiß nicht, ob ihr von Lorsch gehört habt? Wir sind hier in Südhessen in Lorsch auf einer historischen Städte. Das ganze ist im 8. Jahrhundert gebaut worden hier, also sprich Ende des 7. / Anfang des 8. Jahrhundets.

Maßgeblich beeinflusst von Karl dem Großen – das Kloster war nämlich Teil einer Abtei und das Kloster hatte die Aufgabe – wie alle Kloster damals – nicht nur Schriften zusammen, sondern auch ganz physisch einfach Nahrung bereit zu stellen. Nahrung für die Fürsten auch für die Heere, die ab und zu vorbeikommen, wenn sie auf Kriegszug waren. Für die Reiterschaaren, die hier durchgezogen sind. Also ganz weltliche Pflichten. Lorsch war Königs-, später Reichskloster. Und hier begann auch so etwas wie der Anfang der mitteleuropäischen Kultur nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches.

„Western European Dark Ages“

Man muss sich vorstellen, dass die ganze religiöse und auch Bildungskultur nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches und auch nach der Völkerwanderung vollkommen am Boden lag. Nicht einmal mehr die Pfarrer konnten richtig Latein, sie konnten keine Predigen mehr halten. Die Bevölkerung selber sprach verschiedenste lateinische oder germanische Stammes-Dialekte –  es gab weder so etwas wie ein Bildungssystem noch gab es sowas wie eine gemeinsame Sprache noch gab es eine gemeinsame Kultur.

Wir befinden uns in den „Western European Dark Ages“ wie es manchmal genannt wird – eine Zwischenzeit, die 300 Jahre bis zum Reich Karls des Großen (ab 800) anhielt.

Kultureller Ground Zero: Kloster Lorsch

Und es war die Aufgabe, die Karl der Große unter anderem der Bibliothek in diesem Kloster in Lorsch gestellt hatte, die Fragmente der Bibeln, die irgendwo verstreut waren oder die Fragmente anderer heiliger Schriften wie der Evangelien an einem Platz zu sammeln und in eine einheitliche Sprache zu bringen. Es ging um das Wissen über die Welt, das man verloren hatte seit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches, das Wissen und den Glauben.

Der Kanon des religiösen Wissens selbst – die Bibel – war nicht erhalten. Sie war zerstreut in aller Herren Länder bzw. in alle möglichen Fragmente. Kloster Lorsch war eine Art kultureller „Ground Zero“, auf dessen sammlerischen und ordnenden Bemühungen nach dem Zusammenbruch des Imperium Romanum ein neuer Anfang entstehen sollte.

Wiederherstellung und Sammlung von Schriften und Wissen

Ein bisschen weiter südwestlich von Lorsch ist Frankreich, weiter im Osten der Limes, also der ehemalige Grenzbereich des römischen Reiches nicht ganz 100 km von hier westlich von hier. Ganz Frankreich hatten die Römer ja erobert (mit Ausnahme des gallischen Dorfes …), die Stadt Ladenburg hier in der Nähe ebenfalls. Diese Herrschaft war jetzt weg.

Es gab keine Kultur. Es gab keine großen Straßen. Es gab niemand außer ein paar Höfen, ein paar Siedlungen und ein paar Klöstern und vielleicht Stämmen, die sozusagen die Kultur zusammengehalten hätten.

In dieser Klosteranlage, auf diesem flachen Lorscher Hügel aus Rheinsand,  begann sozusagen die Wiederzusammensetzung der mitteleuropäischen Kultur aus Puzzlestücken. Aus den lateinischen Dialekten die ringsum gesprochen worden, aus Bibelfragmenten, die zerstreut über ganz Europa aufzufinden waren.

Deswegen spricht man hier von dem, was in dieser Karolingerzeit hauptsächlich durch Karl dem Großen vermittelt und beauftragt wurde, von einer karolingischen Renaissance. Um wieder eine sicheren Stand zu bekommen, zusammenzustellen, an was damals geglaubt hat, überhaupt ein Grundwissen und ein Wissen über die Welt: Wo der Mensch herkommt, wo der Mensch hingehört, wo oder wer Gott ist, was der Mensch glauben darf, was er glauben kann, was er wissen darf, was er nicht wissen kann. Diese ganzen Fragen wurden überhaupt erstmal wieder gestellt.

Lorsch als Zentrum der frühen mitteleuropäischen „Renaissance“

Und so haben wir hier in Lorsch (neben Karls Hauptresidenz Aachen) den Beginn und Ort der ersten, frühen „mitteleuropäischen Renaissance“ und Kultur.

Ja und das war jetzt das Ziel des heutigen E-Bike Ausflugs. Ich hoffe es ist für den einen oder anderen von Euch Anregung. Man kriegt das selten so in seiner Bedeutung mit, wenn man hierher kommt. Es gibt keine großen Tafeln, wenig Beschriftungen. Man kann natürlich Führungen machen, aber ohne das bekommt man kaum eine Ahnung,  welche Bedeutung dieser kleine Sandhügel hat mit dieser Abtei hier, mit dieser Klosterkirche und auch mit dieser Torhalle da vorne.

Von der dreibögigen Torhalle weiß man heute noch nicht genau, wozu sie gedient hat. Da war rechts im Turm und links in Turm und man konnte wohl durchgehen und irgendwie Rituale oder sogar eine Initiierung machen, aber es ist noch nicht klar, was das Bauwerk eigentlich bedeutet hat. Jedenfalls ist das wahrscheinlich für die mitteleuropäische Kultur speziell auch vielleicht wenn man so will für Deutschland, was es damals noch nicht gab. Es gab das fränkische Reich, und nach 800 das Reich Karls des Großen.

Lorsch mit einer der größten Bibliotheken des Mittelalters

Das Kloster Lorsch besaß später eine der größten Bibliotheken des Mittelalters, die später der Bibliotheca Palatina (in Heidelberg, inzwischen im Vatikanischen Archiv) einverleibt wurde.

Kloster Lorsch wurde im Zug der Reformation 1564 als Kloster aufgehoben und am Ende des Dreißigjährigen Krieges 1621 durch spanische Truppen zerstört.

Vielleicht ist Lorsch ja genauso wichtig für Mitteleuropa wie das Brandenburger Tor für Berlin und die neuere deutsche Geschichte.

Hinweis:
Ich bin kein Historiker oder Geschichtslehrer – die Fachwelt mag die eine oder andere Ungenauigkeit oder Fehlinfo gerne anmerken und korrigieren. Ich hoffe aber, dass der groß geschlagene Bogen insgesamt gelten bleiben kann.


Einige Quellen und Links:

Author: ebikespass

Hallo, ich bin Günter. E-Bikes verbinden für mich ideal Fitness und eine ordentliche Entdeckungsreichweite ... Die Elektrofahrräder tun Umwelt, Körper und Seele gut! Für den Blog teile ich meine technische Neugier und berichte über neue Modelle. Ein persönliches Dankeschön an alle, die mit ihren Kommentaren, eigenen Erfahrungen und Fragen diesen E-Bike-Blog weiter aufwerten und anderen weiterhelfen!

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